Beim Klassiker der Knorpelreparaturverfahren, der Aurologen Chondrozytennansplantation (ACT), werden dem Patienten statt ganzer Dübel nur Knorpelzellen entnommen und im Labor vermehrt. In einem zweiten Eingriff setzt sie der Operateur an derbeschädigten Stelle ein. In der Folge bildet sich dort hyalinartiger Knorpel, der jedoch nicht völlig dem originären Gewebe gleicht. Allerdings gelingt die ACT nicht immer. Lützner: „Bis zu 15 Prozent der Patienten müssen nach zwei bis drei Jahren erneut operiert werden, weil zum Beispiel das Transplantat zu groß oder nicht richtig angewachsen ist. Mit der ACT ist es wie mit den anderen Verfahren auch: Eine 100-prozentige Erfolgsgarantie gibt es nicht.”

Und selbst eine gelungene Operation, egal, mit welcher Methode, bewirkt keine komplette Heilung des Schadens. „Man wird einen defekten Knorpel nie mehr so wiederherstellen können, wie er einmal war”, sagt Lützner. Stattdessen geht es darum, vor allem bei Patienten unter 50 Jahren, die Beweglichkeit des Gelenks zu verbessern, die Schmerzen zu lindern und die weitere Zerstörung des Knorpels wenigstens eine Zeit lang aufzuhalten. Zudem kommen die Verfahren nur für Patienten mit einem überschaubaren Schaden in einem sonst intakten Knorpelgewebe infrage. Bei einer ausgewachsenen Arthrose helfen sie nicht. „Das ist wie mit einer Straße”, sagt Lützner. „Ein einzelnes Schlagloch in einem glatten Belag aufzufüllen ist relativ leicht. Sobald sich dort aber ein Loch an das andere reiht, hat eine Reparatur keinen Sinn.”

Aber auch beim einem einzelnen Knorpeldefekt ist eine Operation nicht gleich die erste Wahl. Lützner: „Man sollte immer erst konservativ behandeln, also mit Krankengymnastik, Spritzen und Gewichtsabnahme. Vorher würde ich niemandem zur OP raten.”
Diese klassischen Ansätze haben sich auch bei Patienten mit weit fortgeschrittener Arthrose bewährt, um die Beschwerden zu lindern. Gerade Übergewicht geht auf Dauer buchstäblich auf den Knorpel, ein Body-Mass-lndex von mehr als 27 gilt als entscheidender Risikofaktor. Dabei spielt nicht nur der physische Druck eine Rolle, sondern auch die Biochemie im Körper. Denn je mehr Fettgewebe ein Mensch besitzt, desto mehr produziert er darin Leptin. Das Hormon, das unter anderem unser Hungergefühl hemmt, hat mitunter eine unangenehme Nebenwirkung: Ist seine Konzentration in den Gelenken zu hoch, fördert es dort die Degeneration der Knorpelmatrix.

Auch deshalb ist regelmäßige Bewegung für Arthrosekranke so wichtig. Doch körperliche Aktivität hilft nicht nur dabei, das Gewicht in den Griff zu bekommen und die Chondrozyten zu ernähren, sondern kann sogar die Neubildung von Knorpelgewebe bewirken. Das stellten Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln an Arthrosepatientinnen fest, die im Rahmen einer Studie ein halbes Jahr lang regelmäßig Aquajogging betrieben hatten. Durch das Training war nicht nur deren Knorpel in den Kniegelenken wieder dicker geworden und in der Fläche gewachsen, der Sport hatte auch die Schmerzen deutlich gelindert. Am Ende des Studienzeitraums waren diese nach Angaben der Teilnehmerinnen im Durchschnitt nur noch halb so stark wie zu Beginn.

Und die Medizin, was können Patienten von ihr erwarten? „Das Problem ist, dass die Arthrose heute noch so behandelt wird wie vor 30 Jahren”, sagt Thomas Pap. „Man gibt Schmerzmittel, und bei einem Entzündungsschub wird Konzison gespritzt. Und wenn es gar nicht mehr anders geht, baut man eine Endopromese ein.” Revolutionäre neue Medikamente seien in den vergangenen Jahrzehnten nicht entwickelt worden, einige Fortschritte habe es lediglich beim Gelenkersatz gegeben.

Zwei Schritte seien nötig, um der Krankheit wirksam zu begegnen. „Zunächst müssen wir die Ursachen und Abläufe der Arthrose genau kennenlernen”, sagt Pap. Also: Was löst das Selbstzerstörungsprogramm des Knorpels aus, warum geschieht das überhaupt, und was passiert dabei? „Und dann muss man die Krankheit sehr früh diagnostizieren können. Ist das Kollagengerüst einmal zerstört, kann man es nur schwer wieder aufbauen. Solange nur die Zwischensubstanzen betroffen sind, lässt sich der Verlust dagegen gut ersetzen.” Noch ist es nicht möglich, aus dem Blut eines Patienten herauszulesen, ob er arthrosegefahrdet ist. „Es gibt zwar verschiedene Marker, die eine Knorpelzerstörung anzeigen, aber wir können daraus nicht schließen, ob das zum Beispiel an einem Infekt liegt oder womöglich schon das Arthroseprogramm startet”, sagt Pap. Gelingt das, sei der Durchbruch nahe: „Wenn man erst einmal zuverlässige Marker findet, wird man innerhalb weniger Jahre Ansätze entwickeln können, um den zerstörerischen Prozess aufzuhalten.”

stern Gesund leben 4/2012

© Torben Müller 2012