Ob ein Produkt tatsächlich „Ulixes-tauglich“ ist, prüfen Manuel Fernbacher und Arjun Prakash vor jedem Auftrag zunächst einmal an einer Testanlage im imt-Entwicklungslabor. „Wir bekommen hier nur die schweren Fälle auf den Tisch“, sagt Fernbacher, der seit einem Jahr als Doktorand in der Firma arbeitet. Pizzataschen, Koteletts und gefrorenes Hackfleisch haben die beiden Maschinenbauer schon erfolgreich über den Sortierparcours gebracht. „,Geht nicht‘ gibt es nicht bei uns, solange die Produkte nicht mehr als fünf Kilogramm wiegen und nicht größer als ein Fußball sind“, sagt Fernbacher.

Oft bleibt den beiden Ingenieuren nur eine Woche für die Vorversuche, denn jeder Testtag kostet Geld, und die Kunden wollen schnell erfahren, ob sie Ulixes überhaupt einsetzen können. „In dieser Zeit müssen wir der Bildverarbeitung erst einmal beibringen, die neuen Produkte zu erkennen“, sagt Prakash. Anschließend müssen sie die Maschinenleistung von 60 auf 100 Prozent steigern. Wenn dabei etwas schief geht, liegt es meistens daran, dass die Saugkraft der Greifer zu schwach eingestellt ist oder die Roboterarme beim Drehen zu stark beschleunigen. Dann bleiben die Hähnchenteile oder Möhren buchstäblich auf der Strecke, bis die Tester die optimalen Werte in der Steuersoftware programmiert haben.

Mit ihrer Erfindung erobern die imt-Ingenieure eine der letzten Bastionen der Handarbeit. „In diese Bereiche hat sich bislang kaum ein Maschinenbauer gewagt“, sagt Julien Huen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IPA in Stuttgart. In einer Studie hat der Lebensmittelwissenschaftler im vergangenen Jahr herausgefunden, dass zwar 68Prozent der deutschen Nahrungsmittelhersteller den Automatisierungsgrad in ihren Betrieben als „hoch“ oder „sehr hoch“ einschätzen, die Zahlen von Branche zu Branche aber deutlich schwanken.

Denn während Großbäckereien und Hersteller von Milchprodukten zu 80 Prozent auf die Arbeit von Maschinen vertrauen und Betriebe, die Obst und Gemüse verarbeiten, immerhin noch eine Quote von rund 55 Prozent erreichen, trödelt die Fleischwarenindustrie der Automatisierungsbewegung hinterher: Gerade einmal 25 Prozent der Produktionsprozesse laufen hier maschinell ab. „Diese enormen Differenzen haben ihre Ursache vor allem in der unterschiedlichen Beschaffenheit der Produkte“, sagt Huen. Flüssige Nahrungsmittel wie Getränke oder auch Teig bergen in Form, Konsistenz und Qualität für Ingenieure und Maschinen keine großen Überraschungen. Fleisch ist dagegen immer anders geformt, die Anlage muss sehr flexibel sein.

Eine weitere Ursache für die schleppende Automatisierung sieht Huen in der Struktur der deutschen Lebensmittelwirtschaft. So könnten sich die mittelständisch geprägten Firmen teure Spezialmaschinen, die nur in kleinen Stückzahlen hergestellt werden, oft nicht leisten. In Dänemark, wo der Fleischmarkt von wenigen Großbetrieben beherrscht werde, liege der Automatisierungsgrad dagegen bei schätzungsweise 60 Prozent. Doch Huen erwartet, dass sich auch in Deutschland in den nächsten Jahren aufgrund der Konzentration der Fleischwirtschaft, der wachsenden hygienischen Ansprüche an Lebensmittel und der technischen Entwicklung viel bewegen wird.
Gute Aussichten also für Maschinenbauer, Elektro- und Verfahrenstechniker, aber auch für Informatiker, die dem Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) zufolge schon jetzt gute Chancen haben, in diesem Berufsfeld einen Job zu finden. Rund 6000 Ingenieure arbeiten derzeit für die 650 deutschen Nahrungsmittelmaschinen- und Verpackungsmaschinenhersteller. „Der Bedarf ist ungebrochen hoch“, sagt Beatrix Grebe, Sprecherin des Fachverbandes Nahrungsmittelmaschinen im VDMA. „Viele Unternehmen klagen, dass Fachkräfte schwer zu finden seien. Das liegt zum einen daran, dass es an qualifizierten Bewerbern mangelt, und zum anderen an den oft unattraktiven Standorten der Betriebe in der Provinz.“

Es mangelt an Bewerbern

Berufsanfängern rät imt-Ingenieur Wolf allerdings, erst einmal in einem wissenschaftlichen Institut zu arbeiten. „Dort kann man sich einen guten Überblick über die Branche verschaffen und in Projekten ideal Kontakte knüpfen“, sagt er. Wer dagegen gleich in die Industrie gehe, werde gerade in großen Firmen schnell auf eine spezielle Schiene festgelegt.

Völlig fremde Bewerber haben bei imt wie in vielen anderen Betrieben kaum eine Chance. „Zeugnisse allein sind für uns nicht ausschlaggebend, deshalb sollten unsere zukünftigen Mitarbeiter bei uns wenigstens ein Praktikum absolviert oder eine Studienarbeit geschrieben haben“, sagt Wolf. Einen Alleskönner, der sowohl auf dem Gebiet der Konstruktion als auch in der Programmierung Experte ist, erwarte er nicht. „Doch zumindest Verständnis für das andere Fachgebiet sollte der Bewerber schon mitbringen“, sagt Wolf. Und eine gewisse Begeisterung für Würstchen kann natürlich auch nicht schaden.

Die Zeit 15/2003

© Torben Müller 2003